Musenhof Schloss Wildenfels

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Geschichte 57: Das Chinesische Kabinett - Lackkunst in Seidenstoff

19.04.2022

Zu den Kunstwerken, die Europa im 17. Jahrhundert aus dem asiatischen Raum erreichten, gehörten chinesische Lackarbeiten. Um diese herzustellen, wird das Harz des sogenannten »Lackbaumes« verarbeitet. Dafür wird in die Rinde des Baumes geritzt. Der austretende Saft wird anschließend gefiltert, entwässert und homogenisiert. Er wird mit verschiedenen Pigmenten gefärbt. Typisch ist zum Beispiel Zinnoberrot oder Rußschwarz. Für eine traditionelle Lackarbeit wurden zum Teil mehrere hundert hauchdünne Schichten übereinander aufgetragen. Schon sehr früh fertigte man in Ostasien kunstvolle Lackarbeiten an. In Europa wurde die Technik erst im 17. Jahrhundert bekannt. Doch die hiesigen Handwerker scheiterten lange Zeit an der korrekten Nachahmung. Hofkünstler versuchten, die überaus teuren original asiatischen Arbeiten zu kopieren, kamen aber zunächst nicht hinter das Geheimnis ihrer Umsetzung.

Als dies schließlich gelang, wurden zahlreiche Bücher mit Anleitungen veröffentlicht. Es entwickelte sich auch die sogenannte »lacca povera« – eine vereinfachte Form der Lackkunst. Dabei wurden ausgeschnittene Drucke bemalt und beispielsweise auf kleine Dosen oder Möbel geklebt sowie anschließend lackiert – um echte Lackmalerei zu imitieren. Zahlreiche Druckereien lieferten Umrissbilder mit chinesischen Figuren, Landschaften, Tieren und Blumen. Die gleichen grafischen Vorlagen verwendete man auch als Motive für Stickarbeiten. Hier wurden die Bilder auf textilem Material übernommen und neu kombiniert.

Das Chinesischen Kabinett von Schloss Wildenfels bietet dafür deutlich erkennbare Beispiele: In einem Nürnberger Verlag veröffentliche der Kupferstecher Paul Decker ein Büchlein mit Mustern für Lackmalereien, darunter den Entwurf für eine Tabaksdose. Die »Unter einem Baldachin thronende Herrscherin mit Zepter« wurde fast eins zu eins als Applikation in Seidenstoff übernommen. Auch die Anordnung aller Figuren auf den Wänden lehnt sich an die asiatische Lackkunst an. Sie ist charakteristisch für den chinoisen Stil in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Bildquelle (Ausschnitt): Bibliothèque de l'Institut National d'Histoire de l'Art, collections Jacques Doucet/ Unter einem Baldachin thronende Herrscherin mit Zepter, Vorlage für die Bemalung einer Tabaksdose in Lackmalerei